Frankreich, Chien-de Mer-Taschenpistole aus Tulle um 1780
Sehr schön verarbeitete und aufwändig dekorierte, kleine Taschenpistole im Chien-de-Mer-Stil
Dunkler Nussbaum-Halbschaft mit abgewinkeltem Kolben in Form eines Seehundkopfes. Messing-Beschläge, bestehend aus einem Laufring, welcher mit dem Unterbügel und dem Abzugsblech in einem Stück gearbeitet ist. Messing-Schlossgegenblech für zwei Schrauben und eiserner Gürtelhaken, fixiert an der hinteren Schlossschraube. Steinschloss mit gewölbtem Schlossblech und entsprechendem Schwanenhalshahn. Eiserne Pfanne mit Verbindungssteg zur Batteriedeckellagerung. Auf der gesamten Länge runder, gebräunter Lauf mit goldtauschiertem Sonnensymbol auf dem Lauf. Lauf/Schaft-Verbindung durch Kreuzschraube und Laufring. Abzugsbügel vorne und hinten am Unterbügel verschraubt. Zugehöriger, eiserner Ladestock mit nagelförmigem Kopf. Keinerlei Bestempelung, Herstellersignatur „Tulle“ auf der Schlossplatine unterhalb der Pfanne.Gesamtlänge 196 mm, Lauflänge 95 mm, Kaliber des glatten Laufs 13,6 mm, Gewicht 357 g.
In der Manufaktur von Tulle war es den Büchsenmachern erlaubt, neben ihrer vertraglichen Arbeit in der Fabrik auch einen eigenen Laden sowie eine eigene Werkstatt in der Stadt zu unterhalten. Es war ihnen sogar freigestellt, die von ihnen auf Grund ihres mit der Manufaktur geschlossenen Arbeitsvertrages anzufertigenden Stückzahlen an Einzelteilen nicht unbedingt an ihrem Arbeitsplatz in der Manufaktur, sondern in ihrer eigenen Werkstatt zu produzieren und von da an die Manufaktur zu liefern.Einer dieser Handwerker und Ladenbesitzer war der Büchsenmacher Duché aus Tulle, welcher im Jahr 1780 eine gewinnträchtige Marktlücke entdeckte und nutzte, indem er begann, für die standesbewussten Herrn Marineoffiziere spezielle Pistolen mit Schäften herzustellen, deren Kolben in stilisierten Seehundsköpfen endeten. Diese eigenartigen Steinschlosspistolen, die in den allermeisten Fällen als Paare verkauft wurden, entsprachen von ihrer Konstruktion her der Bordpistole 1779, waren in der Regel her deutlich kleiner gehalten und besaßen entweder eine normale Kolbenform mit entsprechender Kolbenkappe oder aber den bereits erwähnten Seehundskopf. Dieser sollte als Ausdruck der maritimen Traditionen der französischen Marine und der Verbundenheit des Pistolenbesitzers zu seinem Beruf verstanden werden.Das Geschäft mit diesen „Chien de Mer“-Pistolenlief offenbar so gut, dass die Produkttion nicht nur auf den Büchsenmacher Duché beschränkt blieb. Zahlreiche Hersteller in Tulle, wie z.B. Amat, Collet, Dauphiné, Désaga, Gillet, Machat, Muchot, Menoz, Pauphile, Piron, Saugon und andere versuchten, sich von diesem vielversprechenden Kuchen ein Stück abzuschneiden. Die in der Regel, paarweise gefertigten Pistolen trugen dabei – wenn auch nicht immer – auf dem Schlossblech einer Pistole den Namen des Büchsenmachers, die andere zeigte die Ortsangabe „Tulle“ Vergl. hierzu Lander/Höfele, Französische Ordonnanzpistolen 1733-1870, Gröbenzell 2002